Amanationen, 10.+11. November 2017 @KÖŞK München
Die Divergenz zwischen der Tradition menschlicher Hochkultur und ihrem gleichzeitigen rapiden Abbau.
Die Menschheit ist dank ihrer rasanten technologischen Entwicklung über die Jahrtausende an einem Punkt angekommen, an dem sich nun definitiv die Frage stellt, ob sie in der Lage sein wird, endlich die große humanitäre Verantwortung zu tragen, an der kein Weg mehr vorbei führt.
Ein Nullpunkt ist erreicht, an dem der Fortbestand der menschlichen Rasse zur Debatte steht. Nicht nur der Mensch, sondern auch das gesamte Leben auf der Erde und auch die Zukunft des ganzen Universums wird schon jetzt durch die menschliche Allmacht in Mitleidenschaft gezogen.
Was auf der Erde mit der Monopolisierung des Wassers, des Erbguts, des Saatguts, des menschlichen Wissensarchivs, der sukzessiven Zerstörung durch Umweltverschmutzung, der durch die Nuklearenergie einen traurigen Wendepunkt erlangt hat, markiert eigentlich auch den Wendepunkt in unserer allgemeinen Entwicklung. Es ist sozusagen ein Curfew, der stattfindet, ab dem die jahrhundertelange Überzeugung der vermeintlich konstruktiven technologischen Entwicklung sich nun endgültig als die Basis unseres eigenen Niedergangs manifestiert.
Konkret hat sich durch den fatalen Glauben an den sich selbst regulierenden Markt ein gefährliches Machtvakuum gebildet, in welches nun große Konzerne mit einem undurchsichtigen Netzwerk von unzähligen Tochterfirmen einfließen. Diese wiederum verlassen sich zunehmend auf Automatisierungsprozesse und huldigen den digitalen Algorithmen, die nun die Oberhoheit über das universelle Geschehen zu übernehmen drohen.
Somit gibt die Menschheit gerade IHRE Hoheit über ihre zutiefst eigenen Algorithmen an eine nach rein ökonomisch/funktionalen Prinzipien agierende Struktur ab, die sie nicht mehr unter Kontrolle bringen kann.
Somit werden schon bald humanistische Prinzipien völlig hinfällig und existieren nur noch als oberflächliche Reminszenzen an eine relativ kurze Hochzeit der menschlichen Intelligenz.
Zitat: „Was ist Aufklärung? Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Immanuel Kant).
Ablauf:
1. Empfang der Gäste vor der Tür. Gäste kommen in den Eingangsbereich/Schleuse und müssen sich die Hände waschen, einen Obulus entrichten und nochmal Hände waschen um sich von dem Schmutz des Geldes zu reinigen.
2. Den Eintritt in den Hauptraum muß jeder Gast mit einem Gongschlag bekanntgeben. Dazu liegt ein Knochen bereit, den er/sie gegen eine Gasflasche schlägt. Währenddessen läuft die erste Projektion in der Schleuse: Ein Ablauf von Logos von Nestle und Tochterfirmen, evtl. mit Unterbrechungen, Störbilder etc.
3. Im Hintergrund spielt ein gut arrangierter Mix aus Ambient und Noise. Der Sound wird während dem Großteil der Performance durchgehen. Nach Eintritt in den Raum wird der Gast in den Bereich hinten rechts geführt. Feuer wir gemacht. evtl Geruch von verschmortem Fleisch. kleine Öllampen werden entzündet. An die Wände ist ein Bild aus dem Reaktorkern Fukushimas projeziert. Das Ambiente erinnert bei erster Hinsicht an eine Höhle. Erst bei genauerem Hinsehen wird der geneigte Betrachter das zerschmolzene Innere des Kernreaktors erkennen. Dabei Stimme aus dem Off mit Aufforderungen zum Konsum.
Entlang einer Rollatorsonde werden die Gäste nun quer durch den Raum in den entgegengesetzten Bereich geführt. Währenddessen Projektionen auf den Wänden von hinterlassenen Lebensmitteln und anderen Kulturresten aus der Gegend von Fukushima.
4. Am Ende des Parcours steht ein Supermarktregal voll mit Instantfoodprodukten. Die Protagonisten leeren die Packungen in einen großen Topf und bereiten eine eklige Pampe zu. Diese wird in Stuhlprobentöpfchen abgefüllt, bestempelt, signiert und dem Publikum übergeben. Danach kommt aus dem Off die Aufforderung: „Es wird gegessen“.
5. Zum gemütlichen Mahl werden die Gäste ins anliegende Musikzimmer gebeten, wo ein Flügel in Wohnzimmerathmosphäre bereit steht und ein Musiker gediegene Salonmusik spielt. Währenddessen wird eine große Kerze angezündet. Im Hintergrund ist ein Rahmen an der Wand angebracht, in welches eine Ruinenidylle aus Fukushima hineinprojeziert ist.
6. Abschluß: Apruptes Ende der Musik – gleissendes Licht im Raum. Schlußrede vorgetragen auf japanisch von Toshi, übersetzt von Googletranslator auf deutsch. Schlußaussage: „What is your function in life“.
7. Letzte Aktion als poetischer Abschluß: japanische Teebeutel werden entzündet, die nach dem Abbrennen in die Höhe fliegen.
Schlusstext:
Wir vergessen nicht
Das Unheil kam vom Pazifik
Dem Stillen Ozean, dem friedlichen
von Hawaii
von Midway
von Tinian
von Muroroa
Wir haben geschwiegen & uns in den Schatten zurückgezogen
Wir haben eure Maschinen kopiert, eure Ideen, eure Systeme
Wir sind perfekt
Am Ende gehört uns der Pazifik, auch wenn wir dafür den Pazifismus abschaffen müssen, den wir sowieso nie wollten.
Ihr habt uns das Atom gebrach
Jetzt bekommt ihr es von uns zurück
domo arigato
© 2017 Robert Hofmann (Amanationen 2017)
Materialien zu Emanationen:
11. APRIL 2014 @NEUES THEATER MÜNCHEN
11. MÄRZ 2016 @IMPORT EXPORT MÜNCHEN
11. APRIL 2016 @FLO∗ MÜNCHEN
11. JUNI 2016 @LOTHRINGER 17 MÜNCHEN
11. OKTOBER 2016 @RADIOXRADAR
11. JANUAR 2017 @KÖŞK MÜNCHEN
10.+11. NOVEMBER 2017 @KÖŞK MÜNCHEN
11. MÄRZ 2018 @FLO∗ MÜNCHEN
8.+10.+11. MÄRZ 2019 @KÖŞK MÜNCHEN
10. MÄRZ 2020 @ROTE SONNE MÜNCHEN